Popikonen und Prominente: „Schräge Typen“ im Ostholstein-Museum

Diese Tonfiguren tragen ihren Namen zu Recht: „Schräge Typen“ heißt nicht nur die neueste Ausstellung im Ostholstein-Museum am Schlossplatz 1 in Eutin, unter diesem Titel sind die Skulpturen der in Berlin lebenden Künstlerin Marina Krohs auch bundesweit bekannt geworden. Bis zum 15. August sind die spindeldürren VIPs – eine Mischung aus Porträt und Karikatur – zu bestaunen. Die meisten Figuren sind etwa 40 Zentimeter hoch, manche aber auch lebensgroß. Im Eutiner Museum sind die 98 Kunstwerke nach Themengruppen zusammengestellt.

Skulpturen machen rundum gute Laune

Warum sich Museumsleiterin Dr. Julia Hümme für die „Schrägen Typen“ als Sommerausstellung entschieden hat? „Eine Mitarbeiterin hatte mich auf die Künstlerin aufmerksam gemacht. Die Skulpturen haben mich sofort begeistert. Sie sind für jeden interessant: Der Kunstliebhaber würdigt die besondere Tonarbeit, andere Gäste können einfach nur gucken und genießen. Wenn ich schlechte Laune habe, muss ich nur in die Ausstellung gehen und schon sind alle Sorgen vergessen“, sagt Julia Hümme. Der Wochenspiegel hat mit Marina Krohs gesprochen.

Wochenspiegel: Die „Schrägen Typen“ waren Frau Hümme auf Anhieb sympathisch. Ist das eine typische Reaktion der Betrachter oder was registrieren Sie so?
Marina Krohs: Den meisten Betrachtern gefallen meine Skulpturen sofort. Und je länger sie die „Schräge Type“ ansehen und all die Details wie Falten, Perlenketten oder Stöckelschuhe entdecken, umso größer wird die Sympathie.

Wann haben Sie die „Schrägen Typen“ für sich entdeckt und wie kam es dazu?
Als meine beiden Töchter selbstständiger wurden, habe ich mich an die Arbeit mit Ton erinnert. Einen Töpferofen wollte ich mir nicht in die Wohnung stellen, so entdeckte ich den lufttrocknenden Ton. Aus Sparsamkeit habe ich nur sehr wenig Ton benutzt, und es entstanden dementsprechend ganz dünne Typen. Aber alle Freunde waren begeistert: „So dünn, aber trotzdem erkennt man deinen Udo Lindenberg sofort“, hieß es. Von da an waren die schlanken Skulpturen mein Markenzeichen.

Wie verläuft der Entstehungsprozess von der Idee bis zum letzten Handgriff?
Ich sehe auf der Straße, in der U-Bahn, im Film, in einer Zeitschrift oder im Internet eine schräge Type, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Dann setze ich mich meist sofort an meinen Küchentisch und beginne, aus einem handelsüblichen Kleiderbügel aus der Reinigung die Person in ihrer typischen Körperhaltung einzufangen. Diese „Körperkonstruktion“ wird zur Weiterbearbeitung in einem Gipssockel fixiert. Dann arbeite ich die Skulptur mit dem lufttrocknenden Ton weiter. Nach der Trocknung wird die „Schräge Type“ mit Aquarellfarben bemalt. Den Abschluss stellt die Signierung unter dem Sockel dar.

Wie wichtig sind Ihnen die Details?
Die Details machen unheimlich viel Spaß und gehören wie Körperhaltung und Gesicht natürlich zur jeweiligen Person. Je besser ich die Krone von Freddie Mercury, die Handtasche von Coco Chanel, die Gitarre von Jimi Hendrix, den Koffer von Tatortreiniger Schotty Tatortreiniger mit den HSV- und „Ein Herz für Kinder“-Stickern gestalte, desto überzeugender die „Schräge Type“.

Was muss ein Mensch haben oder ausstrahlen, damit er bei Ihnen zum „Schrägen Typen“ wird?
Da gibt es keine bestimmten Kriterien. Da muss einfach der Funke überspringen!

Sie modellieren aber nicht nur Prominente, sondern schaffen auch Kunstfiguren wie „die Schwimmer“ …
Ja, die Schwimmer sind zu einer Leidenschaft geworden, Herr Weigel von der Galerie „Bilder vom Meer“ in Haffkrug ist vor sechs Jahren auf meine Skulpturen gestoßen und bat für seine Galerie um „Schräge Typen“ der maritimen Art. Daraufhin sind die „Schwimmerinnen“ entstanden. Da habe ich noch so viele Ideen, was die alles anstellen können … Gern habe ich auch „Erwin, die tanzende Tüte“, „Dr. Krakebusch“ oder den Apfelmann entwickelt – man muss nicht prominent sein, um eine „Schräge Type“ zu werden.

Wie viele Figuren haben Sie schon modelliert?
Ich beschäftige mich seit acht Jahren mit den „Schrägen Typen“ und werde circa 800 Skulpturen modelliert haben.

Gibt es eine Lieblingsfigur?
Wie eine Mutter liebe ich natürlich alle meine „Schrägen Typen“, aber das „Schlafbrillen-Pärchen“ und „John & Yoko, nackt“ sind unverkäuflich, diese Arbeiten sind persönlich.

Ich habe gelesen, dass Sie heute von den „Schrägen Typen“, die Sie auch für jedermann als Auftragsarbeiten fertigen, leben können. Was haben Sie davor gemacht?
Nach dem Abitur habe eine Ausbildung zur Grafikerin gemacht. Dann habe ich eine lange Zeit mit meinen beiden Töchtern verbracht. Vor acht Jahren habe ich für eineinhalb Jahre Bundesfreiwilligendienst in der Kunstgruppe einer Werkstatt für Menschen mit einer Behinderung geleitet. Parallel zu dieser Arbeit habe ich meine „Schrägen Typen“ geknetet. Und ich habe Glück und bin inzwischen keine brotlose Künstlerin.

Es gibt ein Video und einen Katalog zur Ausstellung

Marina Krohs ist übrigens gebürtige Reinbekerin und beschäftigte sich seit ihrer Schulzeit mit formbaren Materialien. Ihr Handwerk lernte sie beim Hamburger Töpfer Christoph Hansing, einem Schüler des bekannten Keramikers und Bildhauers Jan Bontjes van Beek. Einen Vorgeschmack auf ihre Arbeiten gibt es im Internet auf www.schraegetypen.com. Begleitend zur Ausstellung, deren Schirmherr der Schauspieler und „Tatortreiniger“ Bjarne Mädel ist, erscheint ein Katalog. Ein Video mit Marina Krohns und Infos zu den Öffnungszeiten findet man online auf www.oh-museum.de. Der Einlass ist aktuell nur mit einem negativen Corona-Test sowie für nachweislich Geimpfte und Genesene möglich!

Volker Graap

Ob Greta Thunberg, Altrocker Udo Lindenberg, John Lennon und Yoko Ono oder Kunstfiguren – Marina Krohs präsentiert im Ostholstein-Museum die ganze Bandbreite ihrer Tonfiguren. Die „Schrägen Typen“ gibt es sogar in Lebensgröße. (Fotos: Graap)

Teile diesen Beitrag!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert