Der europaweit ausgeschriebene Realisierungs-Wettbewerb für den Neubau der Tribüne der Eutiner Festspiele hat tatsächlich internationale Aufmerksamkeit erfahren. Auch Architektenbüros aus Paris und London haben Entwürfe eingereicht. Letztendlich machte aber das Hamburger Büro „Prof. Moths Architekten“ das Rennen. Mit elf zu zwei Stimmen votierte eine Jury aus Fach- und Sachpreisrichtern am Montag für das Konzept einer Tribüne mit 1900 Sitzplätzen. Sie erhebt sich als helle, filigrane, aber dennoch massive Betonschale aus der Landschaft. Die ausgezeichneten Arbeiten – Platz 2 ging an „DKFS Architects London“ – sind nun in den Schaufenstern des Gastro-Pavillons an der Opernscheune ausgestellt und können vier Wochen lang von jedermann bestaunt werden.
Stadt, Juroren, Festpiele: Intensive Beratungen über Entwürfe
Das Preisgericht tagte digital und analog – in dieser Form einmalig in Schleswig-Holstein. Per Videokonferenz wurden die meisten Juroren in die Opernscheune, wo die Pläne und Modelle der sechs fristgerecht abgegebenen Arbeiten anonymisiert präsentiert wurden, dazugeschaltet. „Wir haben sehr intensiv diskutiert“, berichtete Bürgermeister Carsten Behnk im Anschluss an die über achtstündigen Beratungen. Der siegreiche Entwurf war auch der persönliche Favorit von Festspiel-Geschäftsführer Falk Herzog. „Am Ende hatten wir die Wahl zwischen sicherer Bank und einem Bau mit dem gewissen Etwas, mit eigener Architektur. Der Entwurf hat mehr Eleganz und passt sich gut in den Ort ein“, urteilt Herzog.
Tribüne wird eine Sehenswürdigkeit für sich
Der Jury-Vorsitzende Uwe Schüler, Präsident der Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein, stellte fest: „Diese Tribüne ist nicht nur ein Ersatzbau, sondern eine Sehenswürdigkeit für sich. Das Charmante am Entwurf ist, dass er von beiden Hauptansichten gleich gut wirkt.“ Die helle Betonschale sei wie ein Hörnchen geschwungen und vermittle nicht nur von der Freilichtbühne aus gesehen eine echte Leichtigkeit. Auch von der Seeseite aus mache der Bogen der Tribünenschale auf holzverkleideter Fassade einen nachhaltigen Eindruck.
Ganzjährige nutzbar, Mehrwert für Eutin
Angetan ist die Jury vom Mehrwert, den dieser Entwurf schafft. Den äußeren Rand der Tribüne bildet ein Panorama-Weg mit Glasgeländer, von dem aus man in neun Metern Höhe über den Großen Eutiner See und in den Schlossgarten blicken kann. Gleichzeitig wird der sogenannte „Philosophische Gang“ um die Tribüne herumgeführt. Somit bekommt die bisher nicht zugängliche Rückseite eine neue Aufenthaltsqualität. Ein Holzdeck an der Uferkante und ein Bistro unter den Zuschauerrängen runden dieses Bild ab. Deshalb gilt als ein herausragendes Merkmal dieser Arbeit die neu geschaffene ganzjährige Nutzbarkeit und das Herstellen eines völlig neuen Ortes direkt am Wasser.
Zusammenarbeit soll schnelle Umsetzung ermöglichen
Versteckt unter der Tribüne befinden sich außerdem Sanitär-, Lager- und Technikräume. Die Stadt hatte vorgegeben, dass von Anfang an auch Statiker und Landschaftsarchitekten an den Planungen beteiligt sein sollten – zur schnelleren Umsetzung des Projekts. Deshalb ist der Moths-Entwurf in Zusammenarbeit mit den Hamburger Firmen ISP Ingenieure und Hunck+Lorenz entstanden.
Bauarbeiten für Tribüne beginnen 2022
Jetzt geht es für die Stadt Eutin an die Nachverhandlungen. Denn über den einen oder anderen Punkt im Entwurf müsse noch diskutiert werden. „Es ist nicht viel, insgesamt sind Laien und Fachleute von dem Entwurf begeistert“, versichert Bürgermeister Behnk. 6,1 Millionen Euro wird der Ersatzbau für die 45 Jahre alte Tribüne kosten. Der Bund gibt Fördermittel in Höhe von 5,5 Millionen Euro dazu. Vom Land kommen 300?000 Euro. Die Verantwortlichen hoffen, die Bauarbeiten direkt nach der Spielzeit 2022 beginnen zu können. Im Juni 2023 muss das Vorhaben dann abgeschlossen sein – pünktlich zum Start der neuen Festspiel-Saison. Volker Graap
Der Jury-Vorsitzende, der Rendsburger Architekt Uwe Schüler, und Eutins Bürgermeister Carsten Behnk sind begeistert vom Entwurf des Hamburger Architektenbüros. (Foto: Graap)
Der Entwurf zeigt, dass sich die Zuschauerränge harmonisch in den Landschaftsgarten einpassen. Und auch vom See aus betrachtet zeigt sich: Die Rückseite wird zu einer Sehenswürdigkeit. (Fotos: Prof. Moths Architekten)
Der Enwurf besticht, aber soweit ich sehen kann, sind bei den Sitzen keine Rückenlehnen geplant. Stimmt das? Und wenn ja, sollen die vielen älteren Zuschauer wirklich ein paar Stunden aufrecht sitzen, ohne sich anlehnen oder sich eine warme Decke über die Lehne legen zu können?
Danke im Voraus für Ihre Antwort.
Hallo Herr Rohse,
damit die Finanzierung des Tribünen-Neubaus überhaupt zustande kommen konnte, musste das Projekt etwas abgespeckt werden. Die Installation einer mobilen Überdachung soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Die Schaffung der technischen Voraussetzungen dafür sind aber beim Tribünen-Neubau eingeplant.
Es grüßt
die Redaktion
Wenn schon soviel Geld in die Hand genommen wird, hätte man auch gleich in die Planungen eine Überdachung einbeziehen können, um eventuelle wetterbedingte Ausfälle auszuschließen. So sehe ich absolut keine ganzjährige Nutzungsmöglichkeit.