Künstler sorgen sich um Zukunft: Hoffen auf zielgerichtete Hilfe

Es ist absehbar, dass für Kunst und Kultur bis zum Frühjahr nicht mehr viel geht – wie schon in den vergangenen Monaten seit dem zweiten Lockdown im November. Wenn dann auch noch die von der Politik versprochenen finanziellen Hilfen nicht ankommen, könnte irgendwann der Geduldsfaden reißen. „Bei vielen liegen die Nerven blank“, sagt Martin Karl-Wagner. Der Eutiner Musiker und Musikmanager steht mit zahlreichen Künstlern in Kontakt und sorgt sich um seine Kollegen und die Zukunft der Kulturlandschaft.

„Das Ausdünnen der Kultur hat bereits angefangen.“

Ihn selbst treffen die Corona-bedingten Einschränkungen nicht so hart, er habe keinen Grund, zu jammern. Er bangt jedoch um die Vielfalt in der Kultur- und Veranstaltungsbranche. Die ersten Musiker, Sänger, Schauspieler oder Tontechniker hätten sich während des ersten Lockdowns umorientiert und notgedrungen andere berufliche Perspektiven gefunden. „Das Ausdünnen der Kultur hat bereits angefangen. Wenn die Beschränkungen wieder aufgehoben werden, wird man nicht so einfach den Schalter wieder umlegen können“, meint Karl-Wagner. „Ich weiß von Künstlern, die ihren Nebenerwerb oder ihr Hobby zum Beruf gemacht haben und jetzt zum Beispiel in der Bio-Landwirtschaft tätig sind. Fraglich, ob sie in die Kulturszene zurückkehren.“

Hilfsprogramme gehen an der Praxis vorbei

Man kann es den Betroffenen nicht verdenken: Viele Freiberufler und Soloselbstständige stehen momentan ohne Einkommen da. „In unserem Bereich gehen die Hilfsprogramme gewaltig an der Praxis vorbei. Ich kenne keinen Künstler, der die Finanzhilfe schon erfolgreich beantragt hat“, sagt Karl-Wagner. Für den Musikmanager ist es daher auch kein Wunder, dass Gelder aus Hilfsprogrammen oft nicht abgerufen werden. „Nehmen wir das Beispiel der Erstattung von Umsatzausfällen, die gemeinnützige Kulturträger beantragen können. Die meist ehrenamtlich geführten Vereine planen aber längst gar keine Veranstaltungen mehr. Sie sind nicht darauf angewiesen, und im Falle eine Absage Hilfsgelder zu beantragen, erscheint ihnen zu bürokratisch und zu riskant. Das ist vollkommen verständlich. Aber weil die Künstler häufig am Umsatz beteiligt sind, verzichten die Kulturträger auch auf deren entgangene Gelder“, erläutert Karl-Wagner.

Keine Unterstützung vom Kulturknotenpunkt

Immerhin konnte der Musikmanager im vergangenen Jahr noch das eine oder andere Online-Projekt mit Partnern wie der Eutin GmbH umsetzen und so Veranstaltern, die ohnehin ein Konzertbudget eingeplant hatten, noch Geld für hiesige Künstler entlocken. Nicht geklappt habe dies beim regionalen Kulturknotenpunkt, der bei der Tourismuszentrale Holsteinische Schweiz angesiedelt ist. Dort hatte Karl-Wagner etwa vorgeschlagen, wegen der erhöhten Hygienevorschriften Spuckschutzwände gemeinsam anzuschaffen, um diese dann Künstlern bei Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Es gab die Idee einer Umfrage unter Künstlern, für was in diesen Zeiten Bedarf besteht. Konkrete Hilfestellung habe es aber nicht gegeben, sagt Karl-Wagner. „Warum gibt es eine Vernetzungsstelle für Kultur, wenn es in schwierigen Zeiten nicht funktioniert?“

Ein Einkommensersatz wäre die richtige Idee

Wenn man den Kunst- und Kulturschaffenden tatsächlich effektiv helfen wolle, wäre ein Einkommensersatz die richtige Idee. „Das wäre anhand der Steuererklärungen der vergangenen Jahre relativ unproblematisch zu machen. Die Künstler haben nichts angestellt, aber ihnen wurde die Lebensgrundlage verboten. Deshalb wäre eine solche Lösung gerechtfertigt.“ Die Corona-Krise habe darüber hinaus eine eklatante Strukturschwäche um Kulturbereich offengelegt. „Viele freischaffende Künstler verdienten noch nicht mal den Mindestlohn. Die Politik muss viel mehr mit unseren Verbandsvertretern reden, um Versäumnisse zu beheben“, betont Martin Karl-Wagner. vg

 

Sag mir, wo die Veranstaltungen sind: Martin Karl-Wagner steht am Schaukasten der Tourist-Info, in dem fast gähnende Leere herrscht. Kulturelle Events gibt es im Lockdown nicht mehr. (Foto: Graap)

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