Der Wochenspiegel hat Persönlichkeiten zu ihren Nikolaus-Erlebnissen befragt
Prall gefüllte Stiefel: Darauf hoffen Kinder, wenn sie am Morgen des Nikolaustages am 6. Dezember aus ihren Betten klettern und vor die Zimmertür blicken. Daran kann in diesem Jahr zum Glück auch die Pandemie nichts ändern. Wir fragten Menschen in Ostholstein nach ihren Nikolauserlebnissen.
Mit Routen quasi ein Leben retten
Wozu ein bisschen Unartigkeit gut sein kann, das hat Gisela Poersch in ihrer Jugend erfahren. Die Vorsitzende der Eutiner Arbeiterwohlfahrt wird eine ganz besondere Erinnerung mit dem Nikolaustag, genauer mit dem Tag davor, niemals vergessen. Am 5. Dezember 1949 brach ihr Vater von daheim auf, um einkaufen zu gehen und im nahegelegenen Moor bei Niendorf in Hamburg Ruten zu schneiden. Die wollte er Gisela als Mahnung in den Nikolaus-Stiefel stecken, weil sie ungezogen gewesen war.
Zum Glück ging er zuerst ins Moor und schnitt dort die Ruten. In dem Geschäft, in dem er sonst zum Einkaufen gewesen wäre, ging zur selben Zeit ein Weltkriegs-Blindgänger hoch. „Wir haben die Explosion gesehen, und mein Vater hat sie im Moor gehört. Ich habe ihm genau genommen das Leben gerettet vor dem Nikolaustag“, erzählt sie mit einem Schmunzeln. Half aber nichts. Im Stiefel waren die Ruten, ihre Geschwister bekamen schöne Geschenke – aber Gisela einen Tag später dann auch noch …
Im Stiefel wartete ein treuer Begleiter
Malentes Bürgermeisterin Tanja Rönck war früher bei den Pfadfindern, im Gau Jomsburg in Kiel. Jedes Jahr wurden dort große Sommerfreizeiten unternommen, und sie wünschte sich so sehr einen Fotoapparat, um die schönen Erlebnisse im Bild festzuhalten. „Als ich zehn oder elf Jahre alt war, fand ich in meinem Nikolausstiefel tatsächlich eine Kamera. Die Marke weiß ich nicht mehr, aber sie steckte in so einem festen Lederetui und war gebraucht gekauft worden. Das war ja damals alles so teuer.“ Dieser Fotoapparat habe sie viele Jahre begleitet. „Da hat man sich jedes Bild genau überlegt, weil das Entwickeln ja auch richtig Geld kostete. Jeden Monat wurde höchstens ein Film verknipst.“
Kulinarische Erfahrungen am Nikolaustag
Mit dem Nikolaustag verbindet der Facharzt für Innere Medizin, Dr. Gerdt Hübner aus Eutin, der seit Kurzem in die Riege der Sana-Chefärzte in Ostholstein aufgerückt ist, ein besonderes kulinarisches Erlebnis. Nach einem Chorkonzert der jüngsten Tochter in der Stiftskirche in Kaiserslautern, das Mädchen war damals sechs oder sieben Jahre alt, sollte die stolze Leistung der Chorsänger mit einem Besuch in einem Schnellrestaurant gekrönt werden. „Da habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Doppel-Whopper bestellt und gleich gedacht, so etwas kann man eigentlich nicht essen“, erinnert er sich. Aber aufgewachsen mit dem Spruch „Was auf den Tisch kommt, wird gegessen“ habe er ihn bewältigt, zum ersten und wohl auch zum letzten Mal. In den Nikolausstiefel passt er ja zum Glück nicht …
Nikolaus schon im November
Mit großer Vorfreude war der Nikolaustag stets in der Familie von Dr. Julia Hümme, Leiterin des Eutiner Ostholstein-Museums, erwartet worden. Sie berichtet von einem besonderen Jahr: „Ich glaube, ich war sechs Jahre alt, als ich ganz sicher war, der Nikolaustag sei am 6. November. Also stellte ich abends meine Schuhe vor die Tür.“ Die Enttäuschung sei riesig gewesen, als am nächsten Morgen voller Vorfreude nach dem Aufwachen die Tür geöffnet wurde und in den sorgfältig geputzten Schuhen absolut nichts zu finden gewesen sei. „Meine Mutter schien auch ziemlich irritiert darüber, was ich denn schon am 6. November vom Nikolaus erwartete. Danach wusste ich das Datum aber für alle Zeiten.“
Nach alter Sitte stellt man am Vorabend schön geputzte Schuhe vor die Tür. Fotos: Manuela Boller