Timmendorfer Strand: Straßenmusiker darf nicht spielen

Sven Wildöer führt einen Kampf um die Kunstfreiheit in Timmendorfer Strand. Der klavierspielende Straßenmusiker aus Scharbeutz beklagt „Behördenirrsinn“ und verschärfte neue Regeln für die Straßenmusik in der Gemeinde. Er sieht die grundgesetzlich verbriefte Kunstfreiheit vor Ort massiv eingeschränkt: „Ich hab noch in keiner einzigen Stadt so strenge Regeln gesehen wie hier.“ Moment, sagt das Ordnungsamt: Die Satzung sei lediglich präzisiert worden. „Das Nutzungsverbot für diese Bereiche hat es seit jeher gegeben“, betont Michèl Soltmann, Leiter des Fachdienst Sicherheit und Ordnung.

Auf den „besten Plätzen“ darf Sven Wildöer nicht auftreten

Wildöer ärgert sich, dass er nicht auf der Kurpromenade, nicht am Timmendorfer Platz und neuerdings auch nicht am Niendorfer Hafen spielen dürfe. „Das sind die besten Plätze“, sagt er. Auf seine Frage, ob er überhaupt mit dem Klavier auftreten dürfe, hätte er außerdem keine Antwort aus dem Rathaus bekommen. Die Satzung erlaube nur „leise“ Musikinstrumente wie akustische Gitarren oder Geigen. Verboten seien „Trommeln, Trompeten jeder Art oder Dudelsackpfeifen“. Von Klavier stehe da nichts. „Wenn ich jetzt hier mit dem Klavier stehe, dann kommen die und sagen: Klavier ist verboten, Musikinstrumente sind nicht erlaubt, und schicken mich hier vom Platz“, fürchtet der Musiker.

Die drei Hotspots werden bereits über Gebühr bespielt

Michèl Soltmann hält dagegen. Er habe bereits mehrfach mit Sven Wildöer telefoniert und ihm die Sachlage erläutert. „Auch im Hafen waren musikalische Darbietungen schon bisher verboten, nur stand es nicht in dieser ,Satzung über die Ordnung im Strand- und Kurgebiet‘, sondern war anders geregelt. Nun ist der Bereich explizit erwähnt.“ Hintergrund des Verbotes an den drei Plätzen sei, dass diese Flächen bereits über Gebühr durch die TSNT GmbH genutzt und bespielt würden. „Unter anderem deshalb ist es der politische Wille – auch zum Schutz der direkten Nachbarschaft – in diesen auch durch Publikumsverkehr stark frequentierten Bereichen keine weiteren Sondernutzungen und Straßenmusik zuzulassen“, so Soltmann. In diesem Zusammenhang sei auch die Eingrenzung der Musikinstrumente zu sehen. Ganz abgesehen davon, dass in einem Kurgebiet auch konkrete Emissionsgrenzen für Lärm gelten. Aktuell komme ein weiterer Aspekt hinzu: Die Hygiene- und Abstandsregeln zur Bekämpfung des Coronavirus seien im Bereich des Timmendorfer Platzes, des Niendorfer Hafens und der Kurpromenade bei Straßenmusik gar nicht mehr einzuhalten.

Weiterer Streitpunkt: Die Präsentation von CDs

Ein weiterer Dorn im Auge ist Sven Wildöer, dass er dort, wo er dann spielen darf, seine CDs nicht offen präsentieren darf. Kürzlich sei er der Aufforderung der Mitarbeiter vom Ordnungsamt, die Tonträger wegzupacken, nicht gefolgt – und habe dann von der herbeigerufenen Polizei einen Platzverweis erhalten – ohne dass die Beamten mit ihm die Situation diskutieren wollten. Dabei biete er auf der Straße nur seine eigene Musik an – kostenlos, wobei er sich über Spenden freut, wie auf einem Schild zu lesen ist, das er neben sich aufstellt. „Die CDs gehören zu der Kunst dazu“, meint Wildöer. Und: „Die Leute haben das Recht, die Kunst mitzunehmen.“

Soltmann: „Der Rechtsweg steht jedermann offen“

Laut Timmendorfer Satzung ist dies allerdings bei Straßenkunst ohne Sondernutzungserlaubnis nicht zugelassen. „Die Darbietung geht nicht mit dem Anbieten von Waren, dem Aufstellen von Gegenständen wie Tischen oder Schirmen oder dem Verteilen von Handzetteln einher“, heißt es da. „Wenn er die CDs angeblich gegen eine Spende verschenkt, unterläuft er die Gewerbeordnung, und es stellen sich finanzrechtliche Fragen“, entgegnet Soltmann. Ob die Bestimmungen der Gemeinde verhältnismäßig seien, müsse der Straßenmusiker im Zweifelsfall gerichtlich klären lassen. „Ich sehe das ganz emotionslos. Der Rechtsweg steht jedermann offen.“ Außerdem teilt die Gemeinde mit, dass der Sachverhalt dem Kreis Ostholstein zur rechtlichen Prüfung vorliegt.

Den nächsten Antrag schickt Wildöers Rechtsanwalt

Sven Wildöer sieht sich durch die Gemeinde Timmendorfer Strand seiner Kunstfreiheit beraubt – und will sich das nicht länger bieten lassen: Den nächsten Antrag für die „verbotenen Plätze“ schickt Rechtsanwalt Sven Markus Kockel für ihn ans Ordnungsamt. Bei Ablehnung könnte es dann zu einem Gerichtsverfahren kommen. Helge Normann / Volker Graap

 

Der streitbare Straßenmusiker Sven Wildöer fühlt sich „massiv eingeschränkt“. (Foto: Helge Normann)

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