Eine Lübecker Seniorin erzählt, wie sie ihren Alltag mit der Corona-Pandemie meistert
Der ganz „normale“ Tagesablauf hat sich bei vielen von uns sehr verändert. Wie sieht es aus bei der älteren Generation, die mit und ohne Vorerkrankungen als Risikogruppe gilt und besonderen Schutz benötigt? „Ich bin in diesen Wochen nur froh, dass ich noch zuhause wohne und mich in meiner Wohnung frei bewegen kann“, erzählt die 88-jährige Waltraud Bikowski aus St. Lorenz Süd. Von Bekannten, die in einer Senioreneinrichtung in einem kleinen Zimmer wohnen, weiß sie, dass diese durch Besuchsverbot und Quarantäne sehr viel einsamer und oftmals auch depressiv sind.
Der soziale Kontakt fehlt der 88-Jährigen auch, doch sie ist gut eingebettet in ihrem Stadtteil und wird oft angerufen. Dazu wohnt der Neffe in der Stadt und erledigt große Einkäufe mit dem Auto für sie. Der Seniorin fällt das Stehen und Gehen schwer, sie hat Arthrose und ist zudem fast erblindet. Trotzdem schaffte sie es noch, kleine Einkäufe zu erledigen und an wöchentlichen Treffen zum Mittagessen im Stadtteilhaus sowie an Spaziergängen oder Kaffeekränzchen mit Bekannten teilzunehmen.
Plötzlich ist Hilfe beim Alltag notwendig
Dann wurde die Alltagsbewältigung jedoch plötzlich in Frage gestellt: „Das war schlimm“, erinnert sie sich an ihre große Hilflosigkeit, als von einem zum anderen Tag die Haushaltshilfe wegen der Pandemie nicht mehr kam, da es keine Schutzkleidung gab. „Ich bewege mich zwar regelmäßig, aber die Hausarbeit schaffe ich ohne Hilfe nicht mehr alleine.“Glück in der Not war für sie die 18-jährige Großnichte Victoria, die als Schülerin gerade viel freie Zeit hatte und der Großtante gerne täglich behilflich war und ist.
Die Kontaktauflagen machen der Seniorin zu schaffen. „Es war immer ein Lichtblick, donnerstags zum Mittagessen ins Stadtteilhaus zu gehen. Darauf, die bekannten Gesichter zu sehen, die schön gedeckten Tische, darauf habe ich mich immer sehr gefreut.“ Die persönlichen Kontakte fehlen ihr sehr. „Ich stehe früh auf und erledige alles in Etappen“, erzählt sie von ihrem Tagesablauf. Nachmittags sitzt die Lübeckerin in einer windgeschützten Ecke auf ihrer Terrasse. „Dann lese ich ein bisschen mit einem elektronischen Lesegerät oder schreibe Briefe.“
Waltraud Bikowski hat keine Angst vor Corona. „Wenn ich das kriegen soll, dann kriege ich es. Ebenso kann mich in meinem Alter ein Herzversagen treffen. Ich bin so gelassen, weil ich mich lange schon mit dem Thema befasse.“
Doch erst einmal soll es jetzt wieder bergauf gehen. Mit ärztlicher Erlaubnis darf sie wieder kleinere Einkäufe selbst erledigen. „Dazu benutze ich selbstverständlich eine Maske.“ Auch gegen kleine Spazierrunden im Viertel hat der Hausarzt nichts einzuwenden.
„Ich hatte Glück“: Ihre Großnichte hilft und unterstützt Waltraud Bikowski zuhause. Foto: mpa