Wie bewältigen wir unseren Alltag in bisher unbekannten Krisenzeiten? Diplom-Psychologin Brigitte Harms-Teigeler von der Gemeindediakonie Lübeck sagt, was helfen kann
Über alle Medien erreichen uns Nachrichten über die Corona-Pandemie. Das Leben hat sich damit verändert und sieht auch in Lübeck seit drei Wochen anders aus. Bei der Bewältigung des Alltags mit Rückzug in die häusliche Isolation stoßen viele an ihre Grenzen. Ob angeordnete Quarantäne, Kurzarbeit, der Sturz in die Arbeitslosigkeit, Homeoffice oder der Schutz von älteren Menschen durch Verzicht auf Kontakt und Kommunikation: Die aktuelle Situation macht vielen Menschen seelisch schwer zu schaffen.
„Noch haben die Anrufe von Ratsuchenden nicht merklich zugenommen“, sagt Brigitte Harms-Teigeler, Psychologin im Beratungszentrum für Erziehung-, Familien- und Lebensfragen der Gemeindediakonie am Hüxterdamm. „Ich kann mir jedoch vorstellen, dass die Probleme in der anhaltenden Krise durchaus zunehmen.“ Sie hoffe zwar, das die Menschen durch die von der Bundesregierung geschnürten Hilfspakete finanziell aufgefangen werden. Doch die soziale Situation im eingeschränkten Miteinander spiele weiterhin eine wesentliche Rolle. Deshalb möchte die Lübecker Psychologin die Menschen ermuntern, ihr soziales Umfeld zu pflegen: durch Gespräche auf Abstand über den Gartenzaun, Telefonate mit Freunden und der Familie. „Bleiben Sie im Gespräch“, rät sie. „Die Nähe zu anderen Menschen hilft, dass wir uns verbunden fühlen. Auch Ängste werden dadurch weniger“, weiß sie. Ein Lächeln oder Gruß beim Spaziergang helfe als Zeichen der Solidarität.
Eltern rät sie, die aktuelle Situation sehr sorgsam und vernünftig mit den Kindern zu besprechen
Sie geht davon aus, dass die Kinder aktuell noch nicht an der veränderten Alltagssituation leiden. „Kinder dürfen diese Situation jedoch nicht mittragen. Davor müssen wir sie schützen“, so Brigitte Harms-Teigeler. „Erklären Sie Ihren Kindern ruhig und sachlich, dass sie nicht mit anderen spielen können, um sich möglichst nicht anzustecken“, lautet ihr Rat. Am Beispiel der schwedischen Autorin Astrid Lindgren, die in ihren Büchern auch schwere Themen für Kinder im Vorlesealter behandelte, könnten sich Eltern gut orientieren. „Über Ihre eigenen berechtigten Sorgen und Ängste sprechen Sie am Besten mit Freunden, um die Kinder nicht zu belasten“, sagt sie. Auch vor den täglichen Nachrichten sollten Kinder geschützt werden. „Es gibt kindgerechte Beiträge, in denen die neue Viruserkrankung sehr gut erklärt wird. Im Anschluss daran sprechen Sie mit ihren Kindern darüber“, lautet der Hinweis.
Depressive Verstimmungen, Depressionen und Angststörungen nehmen in Krisenzeiten zu
Deshalb sei es nicht förderlich für alle, die jetzt zuhause bleiben, in den „Pyjamamodus“ zu verfallen. „Geben Sie Ihrem Alltag eine Struktur. Womit können Sie sich sinnvoll beschäftigen, was bereitet Ihnen Freude, was macht Ihnen Spaß? Auch regelmäßiger Sport sollte in den Alltag eingebaut werden. Wer sein Augenmerk darauf richtet, was jetzt in diesem Moment gerade gut tut, bringt negative Gedanken besser zum Anhalten.“
Auch Erinnerungen an etwas Gutes können helfen. Dazu beschreibt Brigitte Harms-Teigeler eine Dankbarkeitsübung, die psychologisch wie neurologisch durch regelmäßige Anwendung wirke: „Erinnern Sie sich jeden Abend an fünf Momente des Tages, die schön waren. Das kann das Lächeln der Nachbarin gewesen sein, der Blick auf blühende Bäume vor dem Fenster: Kleine, schöne Dinge, die es auch jetzt in unserem Alltag gibt.“
Gemeindediakonie, Beratungsstelle am Hüxterdamm, Telefon 0451/ 79 32 29 , E-Mail: familienberatung@gemeindediakonie-luebeck.de, Internet: www.gemeindediakonie-luebeck.de
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