Konventionelle Landwirte fühlen sich ausgegrenzt
Dass ein gemeinsamer Beschlussvorschlag von SPD, der Wählergemeinschaft WIR und Bündnis 90/Die Grünen für so viel Wirbel sorgen könnte, damit hatten die Reinfelder Kommunalpolitiker sicherlich nicht gerechnet. In der letzten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr am Montag saßen ihnen immerhin 40 Einwohner gegenüber, unter ihnen viele Landwirte.
Bei der Wohnraumentwicklung sei Reinfeld auf einem guten Weg. Ein Bauflächenkataster werde bereits in der nächsten Sitzung vorgestellt. Der grüne Ring um Reinfeld könne deshalb substanziell gestärkt werden. Damit wolle man Anreize für die Landwirtschaft schaffen, noch nachhaltiger und umweltschonender zu produzieren. Ein gemeinsamer Diskurs mit dem Thünen-Institut für ökologischen Landbau in Trendhorst sei wünschenswert, hatte der Ausschussvorsitzende Dr. Stefan Weber (SPD) das Ansinnen der drei Fraktionen zusammengefasst.
Damit hätten die Landwirte auch kein Problem gehabt, wohl aber mit der Formulierung der Reinfelder Ziele, die in den geänderten Flächennutzungs- und in den neuen Landschaftsplan einfließen sollen. Darin nämlich heißt es: „Bei der Land- und Forstwirtschaft wird eine ökologische Nutzung beziehungsweise Nutzung mit vergleichbaren umweltverträglichen, ressourcenschonenden und nachhaltigen Verfahren angestrebt.“
Landwirte fürchten um ihre Existenz
Dass das bei den Reinfelder Landwirten, die alle nach den Regeln der konventionellen Landwirtschaft arbeiten, nicht gut ankam, liegt auf der Hand. Sie fühlten sich ausgeschlossen, an die Seite gedrängt und fürchteten sogar um ihre Existenz. „Wir haben uns besprochen, wie wir damit umgehen wollen. 140 Leute haben sich gegen diese Beschlussvorlage ausgesprochen“, sagte Klaas Röhr, der dem Ausschussvorsitzenden eine Liste mit Unterschriften übergab. Ihm und seinem Berufskollegen Lars-Christian Wichmann hatte der Ausschuss zuvor Rederecht eingeräumt.
„Es geht um Gleichberechtigung“
„Landwirtschaft funktioniert nur mit Leidenschaft. Wollen sie denn wirklich regionale Lebensmittel, die vor der Haustür produziert werden oder ökologischen Landbau und die in Plastik eingeschweißte Gurke aus Spanien?“, fragte Röhr. Lars-Christian Wichmann ergänzte: „Es geht uns um Gleichberechtigung. Das sind kleine Worte, die für uns aber eine große Bedeutung haben. Reicht uns die Hand und nehmt unsere Formulierung.“ Der Ausschuss streckte seine Hand tatsächlich aus und beschloss schließlich mit sechs Ja-, zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung die eingebrachte Formulierung der Landwirte, durch die sie sich gegenüber dem ökologischen Landbau gleichberechtigt fühlen.
Die CDU nutzte die Stimmung für sich und forderte eine Einwohnerversammlung zur „Neuaufstellung des Landschaftsplanes/Änderung des Flächennutzungsplanes, für die sich der Ausschuss letztendlich auch ausgesprochen hatte. Lorenz Hartwig (CDU) führte an, dass die Bürger nicht ausreichend über die Bedeutung dieses möglichen Beschlusses informiert worden seien. Auch die Landwirte hätten erst nach eigenem Engagement kurzfristig weitergehende Informationen erhalten, dabei könne „öko statt konventionell“ weitreichende Folgen für sie haben. Hartwig: „ Es geht um die Zukunft Reinfelds. Bei der Tragweite sollte man die Bürger hören. Ein Anfang wurde in der letzten Bürgerversammlung gemacht. Nun gilt es, in gleicher Form daran anzuknüpfen.“ PD
Foto: Die beiden Landwirte Klaas Röhr (li.) und Lars-Christian Wichmann wehrten sich im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehrs gegen eine Formulierung zur Änderung des Flächennutzungsplanes und zur Neuaufstellung des Landschaftsplanes der Stadt Reinfeld. Foto: Petra Dreu
Zum Glück haben die Landwirte, anders als die Überschrift suggeriert, die Kommunalpolitik nicht gestoppt, sondern in einem offenen, konstruktiven Dialog sich zu einer biodiversitätsfördernden und nachhaltigen Landwirtschaft bekannt. GRÜNE, SPD und WIR konnten so die hiesige Landwirtschaft in die Zielvorstellungen für zukünftige Landschaftsplanungen aufnehmen. Ein gutes Zeichen, wenn Landwirtschaft und Politik gemeinsam an der Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen arbeiten.