
Tourismus und seine Nebenwirkungen: Podiumsdiskussion mit Christian Martin Lukas, Prof. Marcus Menzel, Karsten Schröder und Helge Borgmann. (mpa)
Lübecker Architekturforum startet Dialog über leben und Urlaub machen in der Altstadt.
Was bedeutet Tourismus für Lübeck, wie viele Hotels braucht die Stadt, wie steht es um Wohnen und Urlaub in der Altstadt und gerade auch in den historischen Gängen? Das Architekturforum Lübeck führt einen Dialog an und erörtert Fragen rund um steigende Tourismuszahlen: 82 historische Gänge gibt es in der Altstadt, in 32 davon wird heute an Feriengästen vermietet.
„In 590 Ganghäusern gibt es 78 Ferienwohnungen, mithin werden 13 Prozent des Wohnraums dort ganzjährig an Touristen vermietet“, sagt Norbert Hochgürtel vom Architekturforum Lübeck. Bei steigender Tendenz sei zu betrachten, wie Übernachtungsangebote in Wohnungen den Wohnraum verdrängen und die soziale Verträglichkeit in Lübecks engen Gängen in Frage stellen.
Helge Borgmann wohnt im Posthofgang und erzählt vom Urlaub, der zwischen den Ganghausbewohnern verbracht wird. „Ich bin ein Local, ich stelle die Kulisse“, sagt er. Dabei könne er durchaus die Urlaubsstimmung der Gäste nachvollziehen. Doch wenn die Touristen bis zum frühen Morgen fünf Meter von seinem Schlafzimmer entfernt feierten, sei der Spaß irgendwann auch vorbei. Dann reiße ihm schlicht und einfach der Geduldsfaden.
Während manche Städte sich mittlerweile mit Zweckentfremdungsverboten auf den Weg machen, privaten Wohnraum besser zu schützen, soll in Lübeck nun auch erstmals gegengesteuert werden: Ab 1. Februar 2019 ist nach dem Willen der Bürgerschaft Übernachtungstourismus in den Gängen nicht mehr möglich. Keine leichte Umsetzung für Karsten Schröder von der Stadtplanung und Bauaufsicht Lübeck. „Seit 2014 haben sich die Übernachtungszahlen in den Gängen um 50 Prozent erhöht“, sagt er. Das zeige einen steigenden Trend an. Vorrangig ginge es um den Erhalt und die Stärkung der Wohnsituationen dort. Nach § 34 Baugesetzbuch sei reines Wohnen in den Gängen vorgegeben. „Wir agieren auf kommunalem Baurecht“, sagt Schröder.
Christian Martin Lukas vom Lübeck Travemünde Marketing begrüßt die Möglichkeit, mit allen Beteiligten in einen offenen Dialog zu treten. Für ihn sei ganz wichtig, dass Lübeck Teil von Willkommenskultur sei. „Verbote mag ich gar nicht“, sagt er. Vielmehr schätze er gemeinsame Lösungen.
Prof. Dr. Marcus Menzl von der Fachhochschule Lübeck fragt mit Blick auf die intensive Vermarktung privater Wohnungen an externe Besucher, wo Grenzen überschritten werden, und kann aus stadtsoziologischer Sicht nachvollziehen, dass Ganghausbewohner sich im halböffentlichen und sensiblen Raum der engen Gänge oft vor vollendete Tatsachen gestellt sehen.
Eine Ganghauseigentümerin meldet sich zu Wort: „Wir haben 20 Jahre lang viel Geld in das Haus gesteckt und es saniert. Jetzt möchten wir auch machen, was wir wollen und an Touristen vermieten.“ Eine weitere Hauseigentümerin bestätigt, auch sie habe ihr Ganghaus aufwendig saniert. „Aber wir wohnen selbst darin“, sagt sie und schildert ihre Angst, dass auch in ihrem Gang bald an Touristen vermietet werden könnte. mpa