Die stummen Opfer der Globalisierung

Revierförster Karsten Tybussek (links) und Baumkontrolleur Hans-Alfred Will feuen sich, dass die Messung einer Esche ein gutes Ergebnis zeigt. Besonders, weil aktuell vier andere Bäume gefällt werden müssen. (ab)

Baumfällungen in Scharbeutz werden notwendig durch Eschentriebsterben.

Im Waldgebiet am Wennsee in Scharbeutz müssen am kommenden Donnerstag Bäume gefällt werden. Revierförster Karsten Tybussek ist es wichtig, die Bevölkerung rechtzeitig zu informieren, warum diese Maßnahme notwendig ist. Denn sie wird durchgeführt mitten in der Setz- und Brutzeit.

Aktuell handelt es sich um vier Eschen. Ein Baum wurde bereits beim Sturm im März entwurzelt und fiel dabei über einen Wanderweg in Richtung der Bahnschienen, die hinter dem Gelände verlaufen. „Wir müssen stets für die Sicherheit für Menschen und Anlagen sorgen“, erläutert Karsten Tybussek, dem die zunehmende Schädigung der Eschen große Sorgen bereitet.

Denn es sind nicht nur die Stürme, die dem Wald zu schaffen machen, sondern auch das „falsche weiße Säbelbecherchen“. Dabei handelt es sich um einen Pilz, der unter anderem durch Holzlieferungen und Container aus Asien eingeschleppt wird, sich über Sporen schnell verbreitet und die Wurzeln der Eschen angreift und abtötet.

„Man kann sagen, es ist eine Folge der Globalisierung“, so Tybussek und erläutert, dass daher auch der Name „falsches“ weißes Säbelbecherchen kommt. „In unseren heimischen Gefilden gibt es schon immer das weiße Säbelbecherchen, das keinen Schaden anrichtet, dagegen sind die Eschen immun.“

Zurzeit ist auch Baumkontrolleur Hans-Alfred Will im Wennsee-Wald unterwegs. Unschädlich für die Eschen, misst er den Widerstand der Wurzeln mit einem elektronischen Messgerät. Das Ergebnis erscheint auf einem Messstreifen, eine Art Baum-EKG. „Je geringer der Ausschlag, desto geschädigter ist der Baum“, sagt er.

Und wie schnell das gehen kann, zeigt das Beispiel der genannten umgestürzten Esche. „Im letzten Jahr war sie noch völlig gesund“, so Karsten Tybussek. „Und auch in diesem Jahr wurde ihre Krone grün und trug Knospen.“ Unter der Erde sah es aber ganz anders aus. In weniger als einem Jahr hatte das „falsche weiße Säbelbecherchen“ die Wurzeln des 123 Jahre alten Baumes vernichtet, der Sturm tat sein übriges.

Das Eschentriebsterben ist ein europaweites Problem. „Dort, wo nur Eschen stehen, ist es für die Reviere eine Katastrophe. In Dänemark sind vom dortigen ursprüngliche Bestand bereits 80 Prozent vernichtet worden“, weiß der Revierförster. In Deutschland gilt deshalb ein Pflanzverbot für Eschen. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen im Umkreis von Scharbeutz, Timmendorfer Strand, Ratekau und Süsel rund 1540 Hektar Wald, in den ca. 80 Hektar Eschen eingestreut, also nicht zusammenhängend gepflanzt sind. Wenigstens ein kleiner Hoffnungsschimmer in dem an sich schon waldarmen Gebiet in Schleswig-Holstein.

Rund um das Bahngelände am Wennsee werden jetzt noch an die 30 Eschen mit dem Bohrwiderstands-Messgerät von Hans-Alfred Will geprüft. Der Baumkontrolleur und der Revierförster hoffen nun, dass möglichst wenige Eschen befallen sind. „Wenn weitere Fällungen notwendig werden kommt ja hinzu, dass eventuell auch nahestehende Bäume, die die Fällungen behindern, mit abgeholzt werden müssen“, wissen beide aus Erfahrung.

Man merkt ihnen an, dass es ihnen um jeden Baum leid tut. „Die Verkehrssicherheitspflicht lässt uns aber keine Wahl“, bedauert Tybussek. AB

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