Neues Gutachten bezeichnet geplante 380-kV-Freilandleitung außerdem als „völlig überdimensioniert“.
Schon lange beschäftigt der von Netzbetreiber Tennet geplante Bau einer 380-kV-Freilandleitung von Göhl nach Lübeck den Kreis Ostholstein und die betroffenen Kommunen. Ein von ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt jetzt ihre Kritik. Und das Papier kommt sogar zu dem Schluss, dass die Verlegung eines Erdkabels nicht nur möglich ist, sondern auch kostengünstiger erfolgen könnte. Eine Komplett- Erdverkabelung würde mit 140 Millionen Euro zu Buche schlagen, die Tenet-Variante liegt bei 154 Millionen.
Die beiden Gutachter Professor Heinrich Brakelmann aus Rheinberg und Professor Dr. Lorenz Jarass aus Wiesbaden stellen fest, dass die derzeit geplante Freileitung massiv die Umwelt belasten werde, da sie trotz größerer Umwege bebaute Gebiete berühren werde. Darüber hinaus sei sie „völlig überdimensioniert, da die Auslastung der geplanten 380-kV-Freileitung nur bei etwa zehn Prozent liegen wird“.
Mit hinein spielt dabei auch, dass sich der Windenergie-Zubau künftig verringern werde – denn das sei die Konsequenz aus der vom Land angekündigten Abstandserhöhung von Windenergieanlagen zu den Siedlungsgebieten.
Ihr Fazit: Es gibt günstigere Alternativen, die als Kabel mit viel geringerem Aufwand unter der Erde verlegt werden können. So können die Leitungen auf direkterem, kürzerem Weg und teilweise in normalen Gräben an Straßen und Wegen in Breiten von 2,3 bis 3,8 Meter verlegt werden.
Landrat Reinhard Sager freute sich über das Ergebnis der Untersuchung und betonte: „Das Gutachten bestätigt unsere Einschätzung und stellt eine belastbare Grundlage dar, um in der weiteren Planung einerseits dem Ziel gerecht zu werden, den Strom aus den Windenergieanlagen abzuführen, und andererseits den Schutz der Menschen und der Umwelt noch besser sicherzustellen.“ Kreis und Kommunen wollen nun die von den Gutachtern erarbeiteten Alternativen Umweltminister Robert Habeck überreichen, um sie in den weiteren Planungsprozess einzubringen.
Habeck will das Gutachten zur geplanten 380-kV-Ostküstenleitung zwar sorgfältig prüfen, gegenüber den Lübecker Nachrichten verteidigt er aber die Planungen von Tennet. Er gehe davon aus, dass die Trasse wie geplant gebaut werde, so der Minister. „Ich räume sofort ein, dass der Netzausbau ein schwerer Eingriff in Natur, Landschaft und Lebensumfeld ist. Aber der Stromnetzausbau ist die Konsequenz der Energiewende.“ Und nach seiner Erfahrung würde auch eine komplette Erdverkabelung genau den gleichen Ärger verursachen wie Freileitungen.
Foto: Ein Bild, das Anwohner und Touristen nicht gerne sehen: Der Kreis Ostholstein will keine Höchstspannungs-Freilandleitungen. © hfr