
Churchills Gemälde an einer Wand in Churchills-Blau: Tatjana Dübbel hat die Sonderausstellung über den malenden Premierminister und Literaturnobelpreisträger vorbereitet. (SDF)
Günter Grass-Haus präsentiert erstmalig in Deutschland Gemälde des herausragenden Politikers.
Winston Churchill (1874-1965) war ein herausragender Politiker, ein entschlossener Gegner des Nationalsozialismus, ein glänzender Redner, ein Literaturnobelpreisträger und noch dazu ein Maler. Da wundert man sich, dass eine Ausstellung über einen Menschen solcher Statur in dem eher kleinen Günter Grass-Haus Platz findet.
Das gelingt, weil sie sich auf die Malerei fokussiert. Elf Ölgemälde aus seinem Pinsel hängen an in Hellblau, genauer gesagt, in Churchill-Blau gestrichenen Wänden. „Mit seinen Sonderbegabungen passt Winston Churchill in das Konzept dieses Hauses, das sich traditionell literarischen und künstlerischen Doppelbegabungen widmet“, sagt der Leiter der Lübecker Museen Hans Wißkirchen. Betrachtet man die Qualität der impressionistischen Landschaftsbilder, ist man eher dazu geneigt, von Anderthalbbegabung zu reden. „Churchill war kein umfänglich ausgebildeter Maler“, räumt Kuratorin Tatjana Dübbel ein, „aber er hat sich dem Malen mit sehr großer Ernsthaftigkeit gewidmet“. Der Premierminister mit Melone und Zigarre betrachtete sein Hantieren mit Pinseln und Farben als Zeitvertrieb und als Ablenkung. Angefangen hatte er 1915. In Folge einer katastrophalen Militäroperation gegen das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg musste der ehrgeizige Haudrauf den Posten als Erster Lord der Admiralität abgeben. Um dem zermürbenden Nichtstun zuhause zu entgehen, schnappte er sich den Tuschkasten der Kinder und fing an zu malen.
Weitaus glänzendere Talente offenbarte der britische Staatsmann in seinen zahlreichen Reden und Schriften. Sie brachten ihm 1953 den Nobelpreis für Literatur ein. Zu hören und zu lesen sind seine Texte an vier Audiostationen und in einigen Büchern, die ruhig in die Hand genommen werden sollen. „Wir wollen die Besucher ermutigen, Churchills Werke und Gedanken selbst zu entdecken“, sagt der Leiter des Grass-Hauses Jörg-Philipp Thomsa. Die Ausstellung zeichnet die schillernden, zuweilen widersprüchlichen Facetten eines bärbeißigen Imperialisten und eines abgeklärten Europäers nach. Seine Vision der Vereinigten Staaten von Europa (allerdings ohne Großbritannien) skizzierte er in einem berühmten Vortrag an der Universität Zürich 1946. Gerade in Zeiten von Brexit und auftrumpfendem Nationalismus gewinnt die kleine Schau „Winston Churchill. Schriften, Reden, Bilder“ eine sehr aktuelle Bedeutung. Nicht umsonst steht sie unter der Schirmherrschaft von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der Zeitpunkt dieser Sonderausstellung sei allerdings ein Glücksfall, betont Thomsa. Denn die erste Idee dazu hatte er bereits 2006. „Unsere ist die allererste Ausstellung mit Churchills Gemälden in Deutschland. Ich weiß nicht, warum all die anderen Museen bisher geschlafen haben.“ SDF