Keine Angst vor dem nächsten Epilepsie Anfall

Etwa jeder Zehnte erlebt im Laufe seines Lebens einen epileptischen Anfall. (Fotolia)

Experten gaben am Wochenspiegel-Lesertelefon Informationen und Tipps zum Leben mit der Krankheit.

Wie der Blitz aus heiterem Himmel entzieht ein epileptischer Anfall den Betroffenen die Kontrolle über ihren Körper. Dieser Kontrollverlust und die Angst davor sind die Gründe, warum Menschen mit Epilepsie ihre Krankheit oft verheimlichen und über die Krankheit nur wenig gesprochen wird. Dabei zählt die Epilepsie zu den häufigeren neurologischen Erkrankungen: Etwa jeder Zehnte erlebt im Laufe seines Lebens einen epileptischen Anfall, eine behandlungsbedürftige Epilepsie entwickeln nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie drei bis vier von 100 Menschen. Wie man ein möglichst „normales“ Leben mit Epilepsie führen kann – dazu informierten Experten am Lesertelefon. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Ist Epilepsie heilbar?

Dr. Lothar Burghaus: Nein, aber die „Bereitschaft“ des Gehirns zu epileptischen Fällen kann so gut behandelt werden, dass sie nicht höher ist als bei anderen Menschen. Die Reduzierung der Anfallsbereitschaft bedeutet für den größten Teil der Patienten eine lebenslange medikamentöse Therapie. In einzelnen Fällen können die Medikamente schrittweise immer weiter reduziert werden, bis sie schließlich abgesetzt werden können. Trotzdem: Ein erneuter Anfall ist damit nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Wie stehen die Chancen, anfallsfrei zu leben?

Dr. Lothar Burghaus: Ungefähr sieben von zehn Patienten können wir heute so gut behandeln, dass sie auf Dauer ohne epileptische Anfälle leben. In den meisten anderen Fällen können wir zumindest die Häufigkeit und den Schweregrad der Anfälle reduzieren.

Ich habe große Angst, dass es wieder zu einem schweren Anfall kommt und diese Angst verunsichert mich zusätzlich. Was kann ich tun?

Anja Zeipelt: Diesen Teufelskreis aus Angst und zunehmender Verunsicherung erleben viele Betroffene. Wichtig ist, dass Sie mit Ihrer Befindlichkeit nicht alleine bleiben. Beziehen Sie Ihr Umfeld ein, informieren Sie Familie, Freunde und Bekannte über Ihre Erkrankung. Damit erobern Sie ein Stück Normalität zurück und können weniger „verkrampft“ mit Ihrer Epilepsie umgehen. Vielleicht hilft Ihnen der Kontakt zu anderen Epilepsie-Patienten. Der Austausch zeigt Ihnen, dass Sie nicht allein sind. Und das kann enorm stärken! Adressen gibt es z. B. bei der Deutschen Epilepsie-Vereinigung (www.epilepsie-vereinigung.de) oder unter www.epilepsie-gut-behandeln.de .

Medikamente sind die eine Sache – aber was kann ich selbst tun, um Anfälle möglichst zu vermeiden?

Anja Zeipelt: Vor allem können Sie versuchen, „Ihre“ Epilepsie so gut wie möglich zu verstehen. Jede Epilepsie ist anders, hat andere Auslöser und Umstände, die einen Anfall begünstigen oder verhindern. Eine gute Hilfe ist ein Epilepsie-Tagebuch, in dem Sie all das aufzeichnen, was Ihnen Hinweise auf Entstehungsmuster geben kann. Wenn Sie Ihre persönlichen Auslöser kennen, brauchen Sie Ihr Leben nicht nach einer langen Liste von „Vielleicht-Auslösern“ auszurichten. Auch das bringt wieder ein Stück mehr Normalität und Entspannung. Ansonsten hilft alles, was Sie entspannt.

Was genau soll ich in einem Epilepsie-Tagebuch aufzeichnen?

Anja Zeipelt: Alles, was rund um den Anfall geschieht: Was haben Sie in welcher Menge getrunken? Welchen Tätigkeiten sind Sie nachgegangen? Wie war die Schlafqualität? Gab es Stress? Wann haben Sie welche Medikamente eingenommen? Gab es besondere Ereignisse? Allergien, Infekte, Regelblutung, körperliches und psychisches Wohlbefinden – alles, was Hinweise auf Anfallsmuster liefern kann, sollten Sie notieren. So lernen Sie nicht nur Ihre Epilepsie, sondern auch sich selbst ein Stück besser kennen. Einen guten Einstieg bietet die App Epi-Manager des Biopharmaunternehmens UCB.

Wer detaillierter dokumentieren möchte, kann eine kostenlose Vorlage auf www.epilepsie-gut-behandeln.de herunterladen.

Gibt es geeignete Vorsichtsmaßnahmen für einen Anfall?

Anja Zeipelt: Vor allem sollten die Menschen in Ihrem Umfeld über Ihre Krankheit Bescheid wissen, damit sie bei einem Anfall adäquat reagieren können. Mir hat zudem ein persönlicher „Risikenplan“ sehr geholfen, den ich nach Auswertung meines Epilepsie-Tagebuchs zusammengestellt habe. So ein Plan geht viel besser auf die individuellen Umstände ein als eine Liste mit pauschalen Ge- und Verboten.

Kann Anstrengung, etwa beim Sport, Anfälle begünstigen?

Anja Zeipelt: Das hat man lange Zeit gedacht. Heute wissen wir, dass Bewegung und Sport ausgleichend und entspannend wirken und damit Anfälle kontrollieren helfen. Allerdings hängt die Wahl der Sportart von der Art und Intensität der Anfälle ab – Stichwort „Verletzungsrisiko“. In manchen Fällen ist es ratsam, Sport in Begleitung zu betreiben oder eine Alternative zu einer risikointensiven Sportart zu suchen.

Darf ich mit der Diagnose Epilepsie Auto fahren?

Anja Zeipelt: Wenn keine Anfallsfreiheit besteht, spricht der behandelnde Arzt ein medizinisch begründetes Fahrverbot aus. Das heißt, dass Sie dann kein Auto fahren dürfen! Übrigens gilt ein vorübergehendes Fahrverbot auch bei einer Tablettenumstellung. Sind Sie allerdings anfallsfrei, sollten Sie das Thema mit Ihrem Arzt besprechen. Er kann in genauer Kenntnis Ihrer Erkrankung und Medikation entscheiden, ob Sie Auto fahren dürfen. Wenn ein Patient über einen längeren Zeitraum – in der Regel ein Jahr – anfallsfrei ist und keine medizinischen Gründe dagegensprechen, kann der behandelnde Arzt das Fahrverbot aufheben. Der Arzt ist dabei an die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung des Bundesverkehrsministeriums gebunden, die Sie auf der Website des Bundesamts für Straßenwesen unter www.bast.de einsehen können.

Ich wüsste gerne, wie ich mich verhalten soll, wenn jemand einen epileptischen Anfall hat

Anja Zeipelt: Sorgen Sie zunächst dafür, dass sich der Betroffene nicht verletzen kann, indem Sie Gegenstände aus seiner unmittelbare Nähe entfernen. Legen Sie ihm etwas Weiches unter den Kopf und lassen Sie ihn ansonsten in Ruhe. Schicken Sie Gaffer weg und beobachten Sie den Betroffenen genau. Meist dauert ein Anfall nicht länger als drei bis fünf Minuten. Dauert es länger, läuft der Betroffene blau an, ist es ein erstmaliger Anfall oder kommt es zu einer Serie von Anfällen, rufen Sie die Notrufnummer 112. Ist der Anfall vorbei, bringen sie den Betroffenen in die stabile Seitenlage, sprechen Sie beruhigend mit ihm und stehen Sie später bei Bedarf für eine Schilderung des Anfalls zur Verfügung.

Mehr Epilepsie-Infos im Internet
www.epilepsie-vereinigung.de: Die Deutsche Epilepsievereinigung e.V. gibt neben Informationen über die Erkrankung, Beruf und Soziales sowie eine Übersicht über Seminare und Veranstaltungen bietet der Verband eine individuelle Beratung online oder telefonisch an. Zusätzlich verzeichnet die Internetseite Kontaktadressen der Landesverbände sowie von Epilepsie-Zentren, -Ambulanzen und epileptologischen Schwerpunktpraxen. Zahlreiche Infobroschüren – auch für Kindern und Jugendliche – stehen kostenfrei zum Download zur Verfügung.

www.epilepsie-online.de: Informieren, beraten, mitmachen – mit diesem Ziel macht sich der Landesverband für Epilepsie-Selbsthilfe NRW für Betroffene stark. Neben Informationen bietet er ein Online-Epilepsie-Forum an, in dem Teilnehmer eigene Fragen stellen, auf Fragen antworten und Beiträge veröffentlichen können.

• www.epikurier.de: Der Epilepsie Bundes-Elternverband e.V. (ebe) und der Landesverband Epilepsie Bayern e.V. geben seit 1995 gemeinsam das Magazin epiKurier heraus. Die ehrenamtlich arbeitende Redaktion aus Betroffenen, Angehörigen und Eltern epilepsiekranker Kinder wird von zahlreichen Autoren mit interessanten Artikeln unterstützt. Das Magazin erscheint vier Mal im Jahr in gedruckter Form sowie online unter

www.epilepsie-gut-behandeln.de: Epilepsie kann man gut behandeln – Unter diesem Motto hat das Biopharmaunternehmen UCB übersichtliche Informationen zu Epilepsie, den Behandlungsmöglichkeiten und zum Leben mit der Erkrankung zusammengestellt. In einer Adressdatenbank können Betroffene deutschlandweit nach Epilepsie-Zentren, Ambulanzen sowie nach Epilepsie-Spezialisten suchen. Die Website bietet zudem einen Link zum kostenfreien Download des „Epi-Manager“ für iPhone/iPad oder Android-Geräte.

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