Ende August ist Tønder Musik. An vier Tagen im Jahr verwandelt sich das klitzekleine Städtchen nahe der deutsch-dänischen Grenze zum Mekka für Folk-Fans und Country-Jünger. Beim Tønder-Festival treffen große Namen der Branche auf dänische Gemütlichkeit. Am vergangenen Wochenende war es wieder soweit.
Wer zum Tønder-Festival will, kommt meistens nicht weit. An jeder Ecke der 8000-Seelen-Gemeinde gibt es dann nämlich etwas zu gucken – und natürlich zu hören. In den Kneipen und in der Fußgängerzone wird gejammt, musizierende Fahrradfahrer beschallen die Passanten, vor ihren Zelten auf dem riesigen Camping-Areal des Festivals sitzen Menschen mit Klampfen und Dudelsäcken.
Diejenigen, die es trotzdem zum Festivalareal nahe der Innenstadt schaffen, finden gleich neun Spielstätten vor: Eine großes Open-Air-Gelände ist darunter, zwei mächtige Zirkuszelte, kleine Spiegelpaläste, die an Clubs in New Orleans erinnern, sogar ein angrenzendes Kunstmuseum wird bespielt. Dazwischen haben die Organisatioren ganze Restaurants aufgebaut, in einem Zelt werden wunderschöne Instrumente angeboten, ein ganzer Plattenladen ist enstanden. Angeboten werden CDs der auftretenden Künstler und aller anderen, die in den Genres Folk, Country und Americana einen Namen haben.
Denn darum geht es beim Tønder-Festival: In der süddänischen Provinz ist eines der weltweit größten Festivals für Rootsmusik entstanden. Seit über 40 Jahren tummeln sich hier die Fans dieser Musikrichtungen. Und das scheinen viele zu sein, das wird beim entspannten Gang über das Areal schnell klar. Fast 20.000 Tickets sind in diesem Jahr verkauft worden, überwiegend an Dänen, aber auch immer mehr Deutsche entdecken „Tønder“ für sich. Denn Tønder liegt nahe: Gerade einmal zwei Fahrstunden ist die Stadt von Hamburg entfernt.
Auch immer mehr Künstler finden ihren Weg zum Festival. Mehr als 60 Bands waren in diesem Jahr am Start, viele von ihnen haben gleich mehrere Konzerte gegeben. Darunter sind etliche Newcomer und noch mehr etablierte Künstler aus Skandinavien, England, Schottland und natürlich den USA. Kenner, die durch das Line-up scrollen, werden viele bekannte Namen entdecken. Und auch einige ganz große.
Cash ist so ein Name, vielleicht der größte in der Country-Musik. Rosanne, die älteste Tochter des „Man in Black“ Johnny Cash, ist in diesem Jahr nach Tønder gekommen, um ihr neues Album „The River and the Thread“ vorzustellen. Das Konzert im Zelt 1 am Freitagabend ist aber viel mehr: Eine Klassiker-Show, in der sich Rosanne Cash und ihr Ehemann John Leventhal lässig durch die Country-Geschichte spielen. Dem Publikum, das wie bei jedem Konzert des Wochenendes ganz nah dran ist an den Künstlern, jagt dabei ein Gänsehaut-Schauer nach dem nächsten über die Rücken, denn Rosanne Cashs Familienbande werden hier deutlich sicht- und hörbar. Ein unvergesslicher Konzertabend!
Eine Tag zuvor hatte schon Jason Isbell Tønder gerockt. Der 37-jährige Amerikaner gilt als ganz große Nummer im Country-Rock und empfiehlt sich im dänischen Flachland als grandioser Songwriter und Geschichtenerzähler in der Tradition eines Bruce Springsteen. Mitreißend spielen The Avett Brothers am Samstagabend auf. Die erklärten Lieblinge von Bob Dylan sind schon das dritte Mal auf dem Festival zu Gast. Und auch Tina Dickow, Margo Price, Anderson East, Jeffrey Foucault oder Eilen Jewell setzen musikalische Marken.
Nach dem Festival ist vor dem Festival: Gerade ist der Musikmarathon beendet, da geben die Veranstalter erste Namen für 2017 bekannt. Unter ihnen ist der Musiker und Schauspieler Loudon Wainwrigth III. Und auch die ersten Tickets für das nächste Jahr sind schon verkauft. Vom 24. bis zum 27. August ist Tønder dann wieder Musik. Text & Fotos: Oliver Pries
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