Prachthandschrift aufgespürt

Als „überaus wertvoll“ wird diese Schrift aus dem Lübecker Stadtrecht bezeichnet, die nun in Russland entdeckt worden ist. (Presseamt)

Schriften aus dem Lübecker Stadtrecht von 1294 wurden in Russland entdeckt.

Vor rund zwei Wochen ging eine Mail der russischen Professorin Natalija Ganina beim Lübecker Stadtarchiv ein, in der sie mitteilte, dass sie den Bardewikschen Kodex in der russischen Kleinstadt Jurjewetz an der Wolga, zwölf Autostunden von Moskau entfernt, aufgespürt hätte.

Der sogenannte „Bardewiksche Codex“, eine überaus wertvolle, mit ausgezeichneten Buchmalereien ausgestattete Prunkhandschrift des Lübecker Stadtrechts aus dem Jahr 1294, ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschollen. Nach dem Luftangriff auf Lübeck 1942 wurden Güterwaggons mit Lübecker Archivgut in ein Bergwerk bei Bernburg an der Saale gebracht. Dort überstanden die Archivschätze zwar sicher den Krieg, aber nach 1945 wurden sie als Beutegut nach Russland verbracht. Dort ging die Handschrift des Stadtarchivs, die nach dem Lübecker Kanzler und Bürgermeister Albert von Bardewik benannt ist, gänzlich unter. Auch im damaligen Sowjetreich wusste in den letzten Jahrzehnten niemand mehr, wo sich der Bardewiksche Kodex befand und ob er überhaupt noch existierte.

Natalija Ganina, Germanistin an der Staatlichen Lomonossov-Universität Moskau hat ihre Entdeckung vergangene Woche auf einer deutsch-russischen Philologen-Tagung an der Universität Moskau erstmalig ausführlich einem begeisterten deutsch-russischen Fachpublikum vorgestellt. Wie der wertvolle Band in die Kleinstadt an der Wolga kam, kann auch die russische Forscherin nur ansatzweise nachvollziehen. Offenbar wurde sie in den 1970er Jahren von einem hier geborenen russischen Sammler dem örtlichen Museum übergeben, auf sehr diskretem Weg, denn von der Übergabe existieren keine Aufzeichnungen. Wie der Sammler selber in den Besitz gekommen war, ist unbekannt.

Durch ein Gesetz des russischen Parlaments, das so genannte „DUMA-Gesetz“ vom 15.4.1998, wurde Beutekunst zum föderalen Eigentum erklärt; eine Rückgabe an das Archiv ist damit, zumindest nach jetziger Gesetzeslage, nicht möglich beziehungsweise nicht gewollt. Allerdings hat das Stadtarchiv gute Digitalaufnahmen des wertvollen Kodex aus Russland erhalten. Die Lübecker Johann-Friedrich-Hach-Stiftung in Person von Prof. Gerhard Ahrens hat sich kurzfristig entschlossen, die Restaurierung des Bandes in Moskau mit einem namhaften Betrag zu unterstützen.

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Albrecht von Bardewik, der Auftraggeber der Prunkhandschrift, war ein wohlhabender Gewandschneider (Tuchhändler) in Lübeck. Er gehörte dem Lübecker Rat von 1291 bis zu seinem Tode (vor Dezember 1310) an. 1308 wurde er zum Bürgermeister gewählt. Er leitete auch die Ratsschreiberei in Lübeck und war offenbar ein „Büchernarr“. Für den nun wiederentdeckten Kodex, der 99 Pergamentblätter umfasst, wurden die besten Schreiber ausgesucht.
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